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Skandal-Buch wird Theater-Abend

Er war ein Skandal und sogar mal verboten: Der 1961 erschienene freizügige Roman „Die Herren“ von Angelika Schrobsdorff. Das Zimmertheater hat nun eine Bühnenversion in Szene gesetzt – mit hammerstarken Protagonisten. Und der Erkenntnis, dass manches Sittengemälde der Sechziger, vieles aber zeitlos ist.

Was dieser Stoff für Wellen schlug, kann man sich kaum mehr vorstellen: Freimütig berichtet da eine Frau, wie sie im Nachkriegsdeutschland von einer Liebes-Konstellation in die nächste stolpert. Skandalträchtig war nicht zuletzt, dass der 700-Seiten-Wälzer erkennbar autobiografisch geprägt und einem in vollen Zügen genossenen Leben abgeschaut war. Leicht konnte man sogar die titelgebenden „Herren“ realen und teils nicht unbekannten Personen zuordnen.

Arbeiten des Künstlers Herbert Goeser, der zuletzt in Harthausen lebte, säumen die Bühne. Foto: al

Das gibt allemal einen prallen Theaterabend ab. Hinzu kommen die kluge Ironie der Autorin – und nicht zuletzt, dass es zwischen den Geschlechtern seit 1961 zwar deutlich anders, aber auch nicht unkompliziert geworden ist. Die Coolness etwa, mit der Angelika Schrobsdorff über weibliches Begehren spricht und darüber, dass es sich nicht nur an korrekten Softies entzündet, liegt zu manchen feministischen Denkmustern quer.

Der Abend hat also viele Ebenen, zeitgenössische und überzeitliche, die man wechselweise einblenden kann, während man dem Schauspieler-Duo folgt, um das die gesamte, in Episoden tranchierte Handlung kreist: Valentina Sadiku verkörpert die liebende Frau, das Zentralgestirn der gesamten Szenerie. Und Martin Olbertz – kenntlich gemacht durch allerlei Hüte und Mützen – glattweg alle Männer, die um diese Sonne rotieren.

Beide leisten Großartiges: Valentina Sadiku entfaltet mit enormer Energie und zugleich feinen Nuancen ein bewundernswertes Spektrum an Gefühlen und Leidenschaften. Ihr nimmt man wirklich ab, dass diese Frau entflammbar ist für die Liebe, dass sie über die Jahre aber auch reift – und zuletzt das Steuer über ihr Leben übernimmt, indem sie anfängt, darüber zu schreiben.

Martin Olbertz meistert mit seiner reichen Erfahrung bravourös die Herausforderung, all die Männer erstehen zu lassen, die nach und nach in Konjunktion mit dieser Frau treten. Er verleiht ihren Charakteren mit subtilen Mitteln Farbe – und illustriert zugleich, dass es sich letztlich doch auch nur um Spielarten eines Grundtypus „Mann“ handelt.

Besonders stark ist die Inszenierung von Peter Staatsmann in ihren temporeichen Teilen. Da entsteht ein Strom, der mitreißt. Da wirken die originalen Aktstudien des Künstlers Herbert Goeser, die die Bühne rahmen, perfekt am Platz. Da amalgamiert die von Dorin Gramma clever abschattierte Musik in ein stimmiges Ganzes hinein. Da fühlt man sich den Protagonisten wirklich nahe, die so leidenschaftlich ringen mit der Frage, wie die Liebe und das Leben gelingen können.

Info: Termine unter www.zimmertheater-rottweil.de




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